Grüße zum 15.12.2020
Adventskalender 2020

15. Dezember 2020

Hallo in die Runde! Meine heutige Tagesgeschichte beginnt wieder mit einer Busfahrt. Innerhalb einer kurzen Zeit durfte ich Zeuge einer ganzen Bandbreite von Emotionen sein und das Alles passierte, weil die Busfahrerin…

Es gibt ja den schönen sinnbildlichen Spruch: „Da biste falsch abgebogen“ und verwendet wird er, wenn man eine falsche Entscheidung getroffen hat und quasi auf die falsche Spur geraten ist. Was aber passiert, wenn man nicht abbiegt, sondern die Fahrt gerade aus fortsetzt, ist ähnlich in der Folge. Heute morgen musste ich wieder auf Arbeit und ich wollte wie jetzt immer Werktags den Schnellbus nehmen. 🚍 Wenn es möglich ist, setze ich mich gern direkt hinter die Fahrerscheibe nach vorn. Hinsetzen, Schal und Mütze ab, Handy aus der Tasche (die Fahrt dauert ca. 20 min) und ein bisschen gedanklich auf den Tag vorbereiten. Ich schaue meist auch aus dem Fenster und Menschen und Häuser an, aber heute war ich mit einer Nachricht auf dem Handy beschäftigt und schaute nach unten. Der Bus hielt kurz an, ich blickte hoch und dachte oh (?)… aber bevor ich wirklich realisierte, was ich da sah, ertönte es überraschend direkt vor mir:

Schei*piep*, Schei*piep*, Schei*piep*, Schei*piep*, Schei*piep*! Hier habe ich mich schon mal verfahren!!!! So eine Schei*piep*! Was mache ich denn jetzt?!?

Unsere Busfahrerin war nicht abgebogen und stand dann kurz an der Haltestelle an der sie sah – hier ist es falsch! Eine wirklich vielbefahrene Kreuzung in Aachen, keine Wendemöglichkeit und die Entscheidung musste schnell getroffen werden. Ich hörte sie murmeln, dass sie noch gar nicht richtig munter sei und „das am frühen Morgen Schei*piep*“ Das Piep steht für die Zensur im Wort. 😎

Es blieb ihr gar nichts anderes möglich als gerade aus zu fahren und einen richtig großen Bogen (für Ortskundige – Kreuzung Boxgraben, Franzstraße sollte es werden, Boxgraben, Schanz, Karlsgraben musste es dann sein). Wir waren wenige Meter gefahren, da kam von hinten ein Mann und fragte, welche Busnummer das denn wäre. Ihre Emotionen waren sofort wieder ganz oben und sie erklärte, dass sie sich verfahren hätte. Der Mann war über die – ich sag mal, selbstanklagende, verzweifelte Aggressivität in ihrer Stimme – vielleicht nicht belustigt, aber er  beruhigte sie mit dem Satz „Alles gut, bleiben sie ruhig!“

An einer Kreuzung setzten sich dann noch Busse vor uns, die lange Zeit nicht zu überholen waren, weil es die Fahrspuren nicht zuließen. Bei jedem Halt, den sie fahrplanmäßig hatten, mussten auch wir brav dahinter stehen bleiben. In solchen Situationen sind Sekunden wie Minuten und wen man dann direkt so verspätet ist, ist der Stress bei den Mitfahrer*innen auch nicht unerheblich wie sich an den folgenden Haltestellen zeigte. Als wir aus der Innenstadt heraus waren, gab sie Gas. Das war dann der Moment an dem ich dachte – lieber nicht rasen, aber ankommen. Ich glaube aber, dass es eine gute und erfahrene Busfahrerin war. Nur die 44 ist vermutlich selten „ihre“ Linie und die Route ist keine Routine. Fehler machen ist menschlich und das Einzige was passierte, waren ein paar Minuten anders gestaltete Lebenszeit als gedacht. Ich war – das gebe ich zu – ein bisschen amüsiert und natürlich mitfühlend. So muss man an einem Montag früh nicht den Schichtdienst beginnen. Wenn am „Anfang der Wurm drin ist“, ist ja auch ein Spruch, den man gern einsetzt. Ich hoffe sehr, sie hat die Verspätung gut weggesteckt. Dieser Schreck wird bestimmt sehr langanhaltend dazu führen, dass sie sehr genau weiß, dass man an der Stelle UNBEDINGT rechts abbiegen muss. 

So oder ähnlich haben wir sicher alle unsere „eingebrannten“ Fehlentscheidungen, die dann zum Hinterfragen des abstrahierten Abbiegens führ(t)en und zu einer Warnfunktion bei ähnlichen Gefahrensituationen. Das ist der Lebensweg auf dem wir ständig lernen.

Mein zweiter Teil heute bezieht sich auf etwas, was mir schon länger als Thema auf den Tippfingern liegt, aber noch nicht geschrieben wurde.

Vor knapp 2 Jahrzehnten, nachdem der virtuelle Adventskalender der Hobbyschneiderin mein ständiger Begleiter war, waren alle Beiträge mit mal mehr oder weniger intensiven spirituellen Inhalten versehen. Immerhin bietet sich das Thema an, denn der Advent ist die Vorfreude auf die Geburt von Jesus, eine intensive Erinnerung an das was sein Leben für uns für eine Bedeutung hat. Ich habe nie einen Hehl darum gemacht, wo mein Herz schlängt und das ich einen festen Glauben an Gott habe. Der ist unerschüttert. Aber… es ist still geworden mit meiner Art der Verkündung, vor allem deshalb weil ich in den letzten Jahren immer mehr gespürt habe, dass es eine Veränderung dazu in mir gibt. „Wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über.“ – ist der dritte Spruch für heute, der mir spontan einfällt. Wenn der Herz aber nicht mehr voll ist, dann fehlen die Worte. Meine Gespräche mit Gott sind stiller geworden und eine sehr persönliche Angelegenheit. 

Beruflich habe ich auch damit zu tun, Kirchenzugehörigkeiten zu bearbeiten. Ziehen Menschen aus anderen Nationen zu uns nach Deutschland und es gibt noch keinen Datensatz, dann muss man auch die Frage stellen, ob sie religiös sind. Ich erkläre das dann damit, dass wir das eintragen müssen, da es steuererhebende Religionsgemeinschaften gibt, die dann einen Anspruch auf Kirchensteuer haben, der über das Finanzamt abgeführt wird. Nicht jede der mir mitgeteilten Religionen gehören dazu und deshalb gibt es den Eintrag „Sonstiges“ und dazu gehören zum Bsp. die Hugenotten, Hindu u.ä. Wichtig ist es mir dann zu erklären, dass das keine anders bewerteten Gemeinschaften sind, sondern das sie steuerlich nicht relevant sind und deshalb nicht im Einzelnen eingetragen sind. Hat man keine Religionszugehörigkeit steht dann oa = ohne Angaben, was der Religionslosigkeit entspricht.

Manchmal entscheiden sich Menschen, diesen Eintrag zu ändern. Geschieht es, indem man aus oa bspw rk oder ev macht (muss ich nicht erklären, oder?), hat eine Taufe oder eine Aufnahme in diese Kirche stattgefunden. Manchmal – und das wird im Moment sehr auffällig viel – wird aber auch aus dem vorhandenen Eintrag ein oa. Dazu muss man zum jeweiligen Amtsgericht gehen und seinen Austritt aus der betreffenden Kirche erklären. Das Amtsgericht teilt es dann den Einwohnermeldeämtern mit und durch unsere Arbeit erfährt es die jeweilige Kirche und das Finanzamt. Es sind so viele Austritte in den letzten Monaten, dass ich mir öfter darüber Gedanken mache. Alle Altersklassen, manchmal ganze Familie, alle gesellschaftliche Schichten erklären diese Entscheidung vor Gericht. Auch Menschen in vorgerücktem Alter mit dem Wissen, das der in absehbare eigene Tod dann nicht mit religiöser Begleitung stattfinden wird, sind dabei. Warum entscheiden Menschen sich gegen die Kirche und ist der Austritt aus der Kirche auch ein Austritt aus dem Glauben? Sind es die Menschen – quasi hier bei und unter uns – die als Ursache den Anstoß geben, sich bewusst und deutlich zu entfernen und das zu dokumentieren. Ich habe an dieser Stelle viel mehr Fragen und kaum mögliche Antworten. Aber ich weiß, wie es mir geht und das es Menschen waren, die ich kannte und denen ich vertraute,  die mich stiller gemacht haben. Verstummt ist mein Glauben nicht, 🙏 auch wenn die Gemeinschaft in der ich spirituell verbunden war, sich gewandelt hat (was auch mit Corona und der Haltung dazu zu tun hat).

Gelegentlich, da möchte ich noch einmal zum Thema zurück kommen, gibt es aber auch andere entsprechend zu bearbeitende Nachrichten. Die Taufen für Kinder gibt es durchaus nicht selten, wenn aber eine Mittvierzigerin diese Entscheidung dokumentiert, ist das eine erwachsene, sehr bewusste Haltung. Das hat mich heute wirklich gefreut. Mit diesen Gedanken zum Tag wünsche ich uns Allen einen schönen Dienstag!

Bis morgen – Eure Anne


Spruch des Tages

Wenn Menschen Liebe gepredigt wird, lernen sie nicht lieben, sondern predigen.
Alice Miller